Sonntag, 9. Januar 2011

Psychologische Grundlage der AstroPsychologie: Die Psychosynthese Roberto Assagiolis

Bruno Huber: Was ist Psychosynthese
Was versteht man unter Psychosynthese und woher kommt dieser Begriff?
(Vortrag von Bruno Huber vom 14. Juni 1993 in Elba. Nach einer Tonbandniederschrift redigiert von Barbara Schmidt, Grenzach.) 
 
Urheber der Psychosynthese ist Professor Roberto Assagioli (Bild), geboren in Venedig 1888, gestorben 1974. Er war Arzt und Psychiater und hat auch mit C. G. Jung zusammengearbeitet.

In der wissenschaftlichen Psychologie gibt es die bekannten Strömungen: die Psychoanalyse, die auf Freud zurückgeht, und die von C. G. Jung begründete Analytische Psychologie. Bereits in der Zeit, als Jung in Zürich Chefarzt war und Roberto Assagioli sein Assistent, fand er, daß die alleinige Betonung des Analytischen nicht ungefährlich ist. Er hatte sehr oft mit Menschen zu tun, die wie eine "mentale Stückesammlung" herumliefen. Sie hatten sich, wie Assagioli es ausdrückte, durch die Analyse zerlegen lassen.

Analyse

Analysieren heißt zerlegen, in Teile auflösen, um die Teile einzeln ansehen zu können. Assagioli fand, man müsse den Menschen in erster Linie zusammensetzen, und das, wenn möglich, richtig. Sein Gedanke war also antithetisch zu dem damals üblichen analytischen Arbeiten, um an die psychologischen Problemwurzeln heranzukommen. Natürlich ist erst einmal eine Analyse notwendig, doch muß dann auch die Synthese erfolgen.

In seiner Praxis fand er, daß zu viele Menschen, die durch Analysen gelaufen sind, danach als Persönlichkeiten wie zerbröckelt waren. Sie wußten um ihre einzelnen Qualitäten und Fertigkeiten und vor allem um ihre Probleme sehr detailliert Bescheid und konnten darüber reden. In den USA ist es heute noch durchaus üblich, daß man seine Komplexe im Partygespräch ausbreitet, seine Analyseresultate schön aufreiht, memoriert und genau sortiert. Das kann aber sehr gefährlich sein, wenn man dadurch mit seinen Komplexen nur herumspielt und ganz zufrieden ist, daß man auf eine ganz besondere Art komplexbeladen ist. Roberto Assagioli war wahrscheinlich der erste, der in der Psychologie ein holistisches, das heißt ganzheitliches Bild vom Menschen entwickelt hat. Darum war es ihm auch grundsätzlich immer darum zu tun, den Menschen zu einem funktionierenden und sich selbst genügendem Ganzen zusammenzufügen.

Analytische Astrologie

Wir haben heute eine Menge Astrologen, die die Psychologie benutzen, wobei es darunter immer noch antiquierte Leute gibt, die behaupten, Astrologie habe nichts mit Psychologie zu tun. Astrologie hat mit dem Menschen zu tun, ist für den Menschen da und hat folglich sehr wohl mit Psychologie zu tun.

Die meisten Astrologen, die sich der Psychologie bedienen, arbeiten analytisch, und das ist mit der klassischen, mittelalterlichen Astrologie relativ einfach. Es bietet sich deshalb an, weil sich alle Deutungen auf einzelne Stellungen konzentrieren und diese schlagwortartig erfassen. Diese alte klassische Technik gleicht im Wesentlichen dem, was heute der Computer macht. Jedes definierbare Detail wird analysiert und in einer Reihe von untereinander nicht verknüpften Einzelaussagen aneinander gehängt. Es ist zuweilen erschreckend, was dabei herauskommt. Das kann man in jeder schriftlichen Analyse, die aus dem Computer kommt, nachvollziehen. Man erkennt unüberblickbare Gegensätzlichkeiten, die bis zum Widerspruch gehen, und was geschieht damit? Nichts. Man hat das vor sich, was Assagioli als Stückesammlung bezeichnet hat, einen Haufen Einzelteile, die nicht zusammenpassen.

Synthese

Unsere Schule vertritt da einen anderen, den psychosynthetischen Standpunkt. Das hat zur Folge, daß wir in der Astrologie methodisch anders vorgehen müssen als bisher üblich. Wir versuchen grundsätzlich, das Horoskop als ganzes Bild zu erfassen und damit auch den Menschen als Ganzes zu verstehen. Natürlich gibt es auch in der Psychosynthese analytische Phasen, in denen versucht wird, einzelne problematische Bereiche zu den Wurzeln hin zu verfolgen, zum Beispiel zurück in die Kindheit. Aber das ist eben nur ein Teil der Therapie. Die Therapie der Psychosynthese arbeitet auf das Zusammenfügen zu einer Ganzheit des Menschen hin.

Wenn man einem Menschen zum ersten Mal begegnet, hat man eine Persönlichkeit vor sich, und hat von ihr einen ersten Eindruck. Manche hören auf diesen ersten Eindruck, andere nicht. Man sollte aber auf ihn vertrauen, denn er ist meist zutreffend.

Was ist dieser erste Eindruck? Er ist total, ganzheitlich und daher wohlproportioniert. Jeder Teil des Menschen der später unterscheidbar wird, hat seinen proportionalen Anteil und ist Funktion des Ganzen. Dies ist neuerdings in der alternativ denkenden Welt eine primäre Forderung, nämlich zunächst das Ganze zu sehen und zu verstehen. Zunächst soll man Teile, vielleicht weil sie einem besonders gut gefallen, nicht hervorheben und damit überbetonen.

Assagioli hat ein Buch herausgegeben, das eine Sammlung von Techniken, wie er es nannte, oder Methoden der Psychosynthese enthielt, und das sind recht viele. Diese Methoden stammen nicht alle von ihm selbst. Verschiedene hat er von anderen Spezialisten übernommen. Er selbst hat das Buch schon beim Entstehen nicht gemocht und später als "schlechtes" Buch bezeichnet, Und das, obwohl es sein Gedankengut enthielt und er im Laufe der Zeit diese Techniken auch sämtlich eingesetzt hat.

Keine Rezepte

Einer seiner Grundsätze war: es gibt kein Rezept dafür, wie man einen Menschen behandeln kann, sondern es gibt nur eine völlig individuelle Rezeptur. Man muß die Techniken, die für einen Fall die genau richtigen sind, unter den vielen möglichen finden und einsetzen. Und das hat Assagioli sehr konsequent verfolgt. Rezepturen zu verabreichen, war ihm ein absoluter Greuel. Seine Maxime war, auf den Menschen individuell einzugehen, ihn da abzuholen, wo er steht, und seine Sprache zu sprechen. Diese Formulierungen sind heute wohlbekannt, aber Assagioli war mit Sicherheit der erste, der das verlangt hat.

Von zentraler Wichtigkeit ist also: zuerst das Ganze sehen, und erst nachher jene Details betrachten, die sich im Bereich der Persönlichkeit eventuell als Probleme zeigen.

Mit seinen Fallgeschichten hat Assagioli sehr gut zeigen können, daß ein Problem meist nicht an einem einzigen Faden hängt, wie Analytiker sehr oft meinen. Sie gehen zu irgend einem Schlüsselerlebnis der Kindheit zurück und hängen daran dann alles auf. Assagioli bewies, daß das nicht richtig ist. Bestimmte Kindheitserlebnisse reihen sich im Laufe der Jahre wie eine Perlenschnur aneinander und ergeben zum Schluß so etwas wie einen Komplex. Diese Erlebnisse können völlig unabhängig voneinander sein, mit völlig verschiedenen Personen und Umständen zu tun haben, müssen kausal also gar nicht miteinander verknüpft sein. Dennoch arbeiten aber alle irgendwie ins selbe Loch und hinterlassen eine Wunde, die dann die Psyche, um sich zu schützen, abzukapseln und zu isolieren versucht.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen