Sonntag, 13. Februar 2011

Die Arbeiten des Herkules im Tierkreis



Ein junger Mönch fragte den Meister:
"Wie kann ich je frei werden?"
Der Meister antwortete:
"Wer hat dich je versklavt?" (Zen-Geschichte)

Der Tierkreis

Der Eine, der den Vorsitz führte, blickte auf die Söhne der Menschen, die die Söhne Gottes sind. Er sah ihr Licht und wo sie standen, auf dem WEGE, der zurück zum Herzen Gottes führt. Der Weg führt durch einen Kreis, durch die zwölf großen Tore, und Zyklus um Zyklus werden die Tore geöffnet und wieder geschlossen. Die Söhne Gottes, die die Söhne der Menschen sind, schreiten voran.

Trübe ist das Licht zuerst. Selbstsüchtig ist die Richtung menschlichen Strebens und dunkel die sich daraus ergebenden Taten. Langsam lernen die Menschen und im Lernen durchschreiten sie die Säulen der Tore wieder und wieder. Dumpf ist das Verstehen, aber in den Hallen der Disziplin, die in jeder Abteilung des kosmischen Kreisumlaufs zu finden sind, wird die Wahrheit allmählich erfaßt, die nötige Lektion gelernt und die Natur geläutert und gelehrt, bis das Kreuz gesehen wird – das fixe, wartende Kreuz, das die Söhne der Menschen kreuzigt, ausgestreckt auf den Kreuzen jener, die dienen und erlösen.

Aus der Masse der Menschen ragte in alten Tagen einer hervor und zog das wachsame Auge des großen Älteren, der den Vorsitz führt, auf sich – Er, der ewig den Vorsitz führt in der Ratshalle des Herrn. Er wandte sich zu einem, der dicht neben ihm stand und sagte: „Wer ist jene Seele auf dem Weg des Lebens, deren Licht jetzt schwach sichtbar ist?“ Rasch kam die Antwort: „Das ist die Seele, die auf dem WEG des Lebens Erfahrungen macht und das Licht sucht, das aus dem hohen Orte leuchtet“. „Laßt ihn fortschreiten auf seinem Weg, doch wacht über seine Schritte“.

Die schnell enteilenden Äonen verfolgten ihren Lauf. Das große Rad drehte sich und brachte im Drehen die suchende Seele auf dem WEG. Später kam ein Tag, wo der Eine in der Ratshalle des Herrn, der den Vorsitz führt, die suchende Seele wieder in den Kreis seines strahlenden Lebens zog. „Wessen ist die Seele auf dem WEG des Strebens, deren Strahlung schwach hervorleuchtet?“ Es kam die Antwort: „Eine Seele, die das Licht des Verstehens sucht, eine sich mühende Seele“. „Sag ihr von mir: den anderen Weg zurückzukehren, dann um den Kreis zu wandern. So wird sie das Ziel ihrer Suche finden. Wache über ihre Schritte und wenn sie ein verstehendes Herz, ein reges Denken und geschickte Hände hat, bringe sie zu Mir!“

Wieder vergingen die Jahrhunderte. Das große Rad drehte sich und trug im Drehen alle Söhne der Menschen, die Söhne Gottes sind, auf ihren Pfad. Und während die Jahrhunderte vergingen, entstand eine Gruppe Menschen, die langsam den umgekehrten Weg einschlugen. Sie fanden den WEG. Sie gingen durch die Tore und strebten nach dem Gipfel des Berges und nach dem Ort des Todes und des Opfers. Der überwachende Lehrer sah einen Menschen aus dieser Menge hervorragen und das fixe Kreuz besteigen; er verlangte nach den Taten, nach Dienst an Gott und zu den Menschen und zeigte die Bereitschaft, den WEG zu Gott zu pilgern. Er stand vor dem großen Einen, der den Vorsitz führt in der Ratshalle des Herrn und hörte ein Wort ertönen:

„Gehorche dem Lehrer auf dem WEG. Bereite dich für die letzten Prüfungen vor. Gehe durch jedes Tor und in der Sphäre, die sie enthüllen und bewachen, verrichte die Aufgabe, die ihrer Sphäre geziemt. Lerne so die Lektionen und beginne mit Liebe den Menschen der Erde zu dienen“.

Dann erging an den Lehrer das letzte Wort: „Bereite den Kandidaten vor. Gib ihm die Aufgaben zu erfüllen und setze seinen Namen auf die Tafeln des lebendigen WEGES.“

Der Tibeter

Herkules der Jünger – der Mythos

Er stand vor seinem Lehrer. Dumpf fühlte er, daß dies der Beginn einer Krise war, die zu einem Wandel der Sprache, der Haltung und des Planes führte. Der Lehrer sah ihn an und mochte ihn. „Dein Name?“ fragte er und wartete auf Antwort. „Herakles oder Herkules“ kam die Antwort. „Sie sagen mir, das hieße „Heras seltene Glorie“, der Glanz und das Strahlen der Seele. „Was ist die Seele, o Lehrer? Sage mir die Wahrheit!“

„Diese, deine Seele wirst du finden, wenn du deine Aufgabe erfüllst und die dir eigene Natur entdeckst und nützt. Wer sind deine Eltern? Sag es mir, mein Sohn.“

„Mein Vater ist göttlich. Ich kenne ihn nicht, es sei denn, daß ich in mir weiß, ich bin sein Sohn. Meine Mutter ist irdisch. Sie kenne ich gut und sie hat mich zu dem gemacht, was du siehst. Gleicherweise, o Lehrer meines Lebens, bin ich einer von Zwillingen. Es gibt noch einen anderen genau wie ich. Ich kenne ihn gut und kenne ihn doch nicht. Einer ist von der Erde, also irdisch, der andere ein Sohn Gottes.“

„Wie steht es um deine Erziehung, Herkules, mein Sohn? Was kannst du und was hast du gelernt?“

„In allen Fertigkeiten bin ich bewandert; ich wurde gut belehrt, gut geschult, gut geleitet und ich bin gut bekannt. Ich kenne alle Bücher, alle Künste, und alle Wissenschaften; jegliche Feldarbeit ist mir bekannt, dazu die Fertigkeiten jener, die reisen können und Menschen kennen. Ich kenne mich als einen, der denkt, fühlt und lebt. Eines, o Lehrer, muß ich dir noch sagen, damit ich dich nicht täusche. Alle jene, die mich in der Vergangenheit lehrten, erschlug ich vor nicht langer Zeit. Ich tötete meine Lehrer und auf meiner Suche nach Freiheit stehe ich jetzt frei. Ich suche mich selbst zu erkennen, in mir selbst und durch mich selbst.“

Mein Sohn, das war eine Tat voll Weisheit, jetzt kannst du frei stehen. Fahre fort dich zu mühen und denke immer daran, daß an der letzten Umdrehung des Rades das Mysterium des Todes erscheint. Vergiß das nicht. Wie alt bist du mein Sohn?“

„Ich zählte achtzehn Sommer, als ich den Löwen schlug und seit dem Tage trage ich sein Fell. Und dann, mit einundzwanzig begegnete ich meiner Braut. Heute stehe ich vor dir dreifach frei – frei von meinen früheren Lehrern, frei von der Furcht vor Furcht und, in der Tat, frei von Begierde.“

„Brüste dich nicht, mein Sohn, sondern beweise mir das Wesen dieser Freiheit, die du fühlst. Wieder im Löwen wirst du dem Löwen begegnen. Was wirst du tun? Wieder in den Zwillingen werden, die Lehrer, die du erschlugst, deinen Weg kreuzen. Hast du sie wirklich überwunden? Was wirst du tun? Wieder wirst du im Skorpion mit der Begierde ringen. Wirst du frei stehen, oder wird die Schlange dir mit ihrer List begegnen und dich zur Erde nieder ziehen? Was wirst du tun? Bereite dich vor, deine Worte und deine Freiheit zu beweisen. Rühme dich nicht, mein Sohn, sondern beweise mir deine Freiheit und deinen tiefen Wunsch zu dienen.“

Der Lehrer saß in Schweigen. Herkules zog sich zurück und stand vor dem ersten großen Tor. Dann sprach der Eine, der den Vorsitz führt in der Ratshalle des Herrn, zum Lehrer und bat ihn, die Götter zu Zeugen des Strebens zu rufen und den neuen Jünger auf den WEG zu bringen. Der Lehrer rief. Die Götter antworteten. Sie kamen und brachten Herkules ihre Gaben und viele Worte weisheitsvollen Rates, da sie die Aufgaben, die vor ihm lagen, kannten und die Gefahren des WEGES.

Minerva reichte ihm ein Gewand, das sie selbst gewebt hatte, ein Gewand, das ihm gut paßte, fein und von seltener Schönheit war. Er legte es an mit Triumph und Stolz, frohlockend in seiner Jugend. Er mußte sich noch bewähren.

Vulkan schmiedete für ihn einen goldenen Brustschild, der sein Herz schützte, die Quelle des Lebens und der Kraft. Diese goldene Gabe wurde umgegürtet und, so beschützt, fühlte sich der neue Jünger sicher. Er mußte seine Stärke noch beweisen.

Neptun erschien mit zwei Pferden und gab sie zusammengekoppelt dem Herkules. Sie kamen direkt von dem Ort der Wasser und waren herrlichsten Geblüts. Herkules war hocherfreut, denn er wußte seine Macht, die beiden Pferde zu reiten, noch beweisen.

Merkur nahte mit anmutiger Rede und glänzendem Witz. Er trug ein Schwert von auserlesenem Muster, das er in einer silbernen Scheide Herkules darbot. Er schnallte es Herkules um die Hüften und hat ihn, es scharf und glänzend zu halten. „Es muß trennen und schneiden“, sagte Merkur, „und mit Genauigkeit und erworbenem Geschick gehandhabt werden.“ Herkules dankte ihm mit freudigen Worten. Noch mußte er seine gerühmte Geschicklichkeit beweisen.

Mit schmetternden Trompeten und dem Lärm stampfender Hufe nahte im fliegenden Lauf der Wagen des Sonnengottes wie ein flammender Blitz. Apollo kam und grüßte Herkules mit seinem Licht und seinem Zauber und gab ihm einen Bogen, einen Bogen aus Licht. Durch neun weit offene Tore muß der Jünger gehen, bevor er das Geschick erlangt, diesen Bogen zu spannen. Es brauchte diese ganze Zeit, um sich als Bogenschütze zu bewähren. Doch als ihm die Gabe geboten wurde, nahm Herkules sie im Vertrauen auf seine Macht, eine Macht, bis jetzt noch unerprobt.

Und so stand er gerüstet. Die Götter umstanden den Lehrer und beobachteten seine Possen und seine Freunde. Er spielte vor den Göttern und zeigte seine Tapferkeit und rühmte sich seiner Stärke. Plötzlich hielt er inne und überlegte lang. Dann gab er einem Freund die Pferde zu halten, das Schwert einem anderen und den Bogen einen dritten. Darauf verschwand er rennend im nahen Wald.

Die Götter erwarteten seine Rückkehr und wunderten sich, erstaunt über sein merkwürdiges Verhalten. Er kam aus dem Wald zurück und trug hoch erhoben eine Holzkeule, die aus einem lebendigen, starken Baum geschnitten war.

„Dies ist mein Eigenes“ schrie er, „niemand gab sie mir. Dies kann ich mit Macht gebrauchen. O Götter, achtet auf meine hohen Taten!“

Und dann, erst dann, sprach der Lehrer: „Geh nun und mach dich ans Werk.“

Der Tibeter

Buch:
Alice Bailey und Djwhal Khul
Bildquelle

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